Das spätbronze- und frühhallstattzeitliche Brandgräberfeld in Kainach bei Wildon
Christoph Gutjahr
ID: LBWD-66413-09; Bezirk: Leibnitz; Gemeinde: Wildon (ehem. Gem. Weitendorf); KG: Kainach bei Wildon; Gst. Nr.: 550; 363/1; 365/4; Flur: Herrschaftsäcker.
Das Gräberfeldareal liegt der Marktgemeinde Wildon benachbart am Ufer der Kainach, nahe der Mündung derselben in die Mur, etwa 20 km südlich von Graz auf zirka 300 m Seehöhe im Bereich weiter Schotterterrassen, die hier durch Mur und Kainach abgelagert wurden.Der ausgedehnte Bestattungsort ist vermutlich der zirka 1.500 m Luftlinie entfernten urnenfelderzeitlichen Siedlung am Wildoner SchlossbergA1 zuzuordnen, doch ist auch ein Zusammenhang mit einer noch nicht entdeckten Flachland(be)siedlung nicht auszuschließen.
Im Spätsommer 2004 kam bei Vorarbeiten für die Errichtung eines bis heute nicht realisierten Industrieparks ein spätbronzezeitliches Gräberfeld zutage, dessen jüngste Bestattungen bereits in die frühe Hallstattzeit überleiten (z. B. Grab 3).A2 Bis 2007 wurden dann große Teile dieses noch keineswegs erschöpften Gräberfeldes im Zuge einer Notgrabungsmaßnahme durch den Verein Kulturpark Hengist archäologisch untersucht.
Insgesamt wurden auf einer Fläche von etwa 17.300 m² (Gst. Nr. 365/4 und 550) 430 Objekte dokumentiert, davon können derzeit zirka 230 als hauptsächlich spätbronzezeitliche Brandgräber angesprochen werden. Sie gehören mutmaßlich zu zwei Gräberfeldern, vielleicht sogar auch noch zu einem dritten. Neben Flachgräbern sind auch abgekommene Hügelgräber nachgewiesen. Es handelt sich um das größte Gräberfeldareal dieser Zeitstellung in der Steiermark und um eines der bedeutendsten im Südostalpenraum. Etwa 300 m nordöstlich des Gräberfeldes liegt der sogenannte Galgenkogel, ein Ende der 1920iger Jahre von Marianne Grubinger ergrabenes hallstattzeitliches Hügelgrab, das u. a. die Reste zweier Kegelhalsgefäße mit mehreren in Streifen angeordneten Bronzeappliken enthielt.A3
Die Gräber lagen zumeist direkt unter dem Ackerhumus und waren in vielen Fällen nur (noch) sehr seicht in den anstehenden Schotter oder in leicht sandigen Lehm eingetieft und zusätzlich durch die Pflugtätigkeit und die begonnenen Baumaßnahmen in Mitleidenschaft gezogen. Die Keramikbeigaben respektive die Gräber waren dadurch oftmals zur Hälfte oder auch zu zwei Dritteln gekappt. Die Gräber wurden fast ausnahmslos in Holzkisten und/oder als Gips- oder Folienblock geborgen, was vor erfolgter Restaurierung umfangreichere Aussagen zur Grabausstattung sowie zum Keramikdekor vorerst einschränkt.Die vorwiegend ovalen bis rechteckigen Grabgruben waren im Boden meist nur sehr schwer zu erkennen. Mehrfach waren alte Beraubungsspuren oder Störungen nachzuweisen. Steinsetzungen oder Steinkisten fanden sich selten, ebenso Steinabdeckungen oder etwa die Abdeckung der Urne mittels (Einzug-)Schale. Nur in den Gräbern 79 und 132 war eine Brandschüttung eingebracht. Die Deponierung des Leichenbrandes erfolgte in der Regel in Keramikurnen (Töpfe, häufig Kegelhalsgefäße, nur in einigen Fällen in organischen Behältnissen). Den Toten wurden weitere Keramikgefäße bzw. Geschirrsätze (Einzug- und Turbanrandschalen, div. Töpfe, Tassen etc.) in das Grab mitgegeben. Die Keramik weist oftmals eingetiefte und erhabene Verzierungen (Ritzung, Kannelur, Punktdekor, Rollrädchen, Knubben etc.) auf. An vorwiegend unverbrannten Metallbeigaben fanden sich in erster Linie verzierte Messer (u. a. Typ Pfatten, Grab 67), Rasiermesser und Bronzenadeln. Erwähnenswert ist ferner die Beigabe einer verzierten Bronzetasse (Grab 67) sowie eines leicht tordierten Goldringes (Grab 79).
Aus finanziellen Gründen konnten bisher lediglich die Gräber 3, 65, 79 und 214 restauriert werden. Es ist aber bereits jetzt ersichtlich, dass einige Gräber in der Grabausstattung starke Bezüge zu inneralpinen Kulturgruppen aufweisen und zwar insbesondere in den Bereich der Laugener Kulturgruppe (nach dem eponymen Fundort Laugen in Südtirol), dessen zentrales Verbreitungsgebiet die Ostschweiz, Liechtenstein, Vorarlberg, Nord- und Südtirol sowie das Trentino umfasst. An dieser Stelle sei etwa das Grab 65 hervorgehoben, aus dem u. a. eine nahezu vollständige Kanne mit ausgezipfeltem Rand (sog. Schneppenkanne, Stufe Laugen B/Ha B1, zirka 1050–950/920 v. Chr.) und ein Zylinderhalsgefäß mit Tannenzweigzier stammen. Westliche Beziehungen in den norditalienisch-tirolerischen Raum bezeugen ebenso die Beigaben aus dem Grab 42, welches u. a. ein Gefäß mit Tannenzweigzier sowie eine Nadel des Typs Marco, eine Nadel des Typs Cles/Variante B und eine weitere Nadel italischen Typs beinhaltete.A4 Über das Grab 79 wiederum sind u. a. nordöstliche Verbindungen in den Bereich der schlesischen Gruppe der Lausitzer Kultur (Südwestpolen) aber auch zum nördlichen Balkan (Lika, Westbosnien, Norddalmatien und Ostslowenien) belegt.A5
Soweit vorerst ersichtlich, datieren die Kainacher Gräber in die Stufen Hallstatt (=Ha) A2/B1 bis Ha B3/C1 (zirka 1225 800/750 v. Chr.), der Schwerpunkt der Belegung liegt in Ha B (zirka 1050–800 v. Chr.). Besonderes Interesse kommt (mindestens) einem älterurnenfelderzeitlichen Brandgrab zu. Die aus dem Grab 214 geborgenen Keramikfragmente ließen sich insgesamt drei Gefäßen zuordnen: einem Doppelkonus und zwei Henkeltassen. Das Kainacher Grab datiert in Stufe Ha A1 (zirka 1225–1150 v. Chr.) und zählt somit zu den ältesten bislang in der Steiermark aufgedeckten Gräbern aus gesicherten Fundzusammenhängen.A6
Anmerkungen:A1: Diether KRAMER, Aus der Ur- und Frühgeschichte von Wildon. In: Mitteilungsblatt der Korrespondenten der Historischen Landeskommission für Steiermark 2 (1989), 10 36, hier bes. 30ff.A2: Martina ROSCHER, Jahresbericht. In: Fundberichte aus Österreich 43 (2004), 56 57. Martina ROSCHER, Das urnenfelderzeitliche Gräberfeld in Kainach bei Wildon. In: Hengist-Magazin. Zeitschrift für Archäologie, Geschichte und Kultur der Mittelsteiermark 1 (2005), 6 7. Christoph GUTJAHR, Das urnenfelderzeitliche Gräberfeld Kainach bei Wildon. Ein Zwischenbericht. In: Hengist-Magazin. Zeitschrift für Archäologie, Geschichte und Kultur der Mittelsteiermark 2 (2005), 7.A3: Marianne GRUBINGER, Die Hügelgräber bei Wildon in Steiermark. In: Eiszeit und Urgeschichte. Jahrbuch für Erforschung des vorgeschichtlichen Menschen und seines Zeitalters 7, Heft 1 und 2 (1930), 114 123 u. Taf. 18 19.A4: Siehe dazu Martina BLEÈIÆ KAVUR, The fastest way to the Big Sea. A contribution to the knowledge about the influence of the UFC on the territory of the northern Adriatic. In: Christoph GUTJAHR/Georg TIEFENGRABER (Hgg.), Beiträge zur Mittel- und Spätbronzezeit sowie zur Urnenfelderzeit am Rande der Südostalpen, Akten des Internationalen Symposiums am 25. und 26. Juni 2009 in Wildon/Stmk. (Internationale Archäologie – Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress 15 ([= Hengist-Studien 2], Rahden/Westf. 2011), 51 62, hier bes. 51, 56; 51, Fig. 1; 54, Fig. 5; 57, Fig. 8.A5: Christoph GUTJAHR, Das spätbronzezeitliche Grab 79 aus dem Gräberfeld von Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf, Stmk. In: Sneža Tecco Hvala (Hg.), Studia praehistorica in honorem Janez Dular, Opera Instituti Archaeologici Sloveniae 30, Ljubljana 2014, 91 112.A6: Christoph GUTJAHR, Das älteste Grab der Steiermark? Eine frühurnenfelderzeitliche Bestattung aus Weitendorf. In: Hengist-Magazin. Zeitschrift für Archäologie, Geschichte und Kultur der Mittelsteiermark 1 (2009), 4 5. Christoph GUTJAHR, Ein frühurnenfelderzeitliches Brandgrab aus dem Gräberfeld Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf, Stmk. In: Christoph GUTJAHR /Georg TIEFENGRABER (Hgg.), Beiträge zur Mittel- und Spätbronzezeit sowie zur Urnenfelderzeit am Rande der Südostalpen, Akten des Internationalen Symposiums am 25. und 26. Juni 2009 in Wildon/Stmk. (Internationale Archäologie – Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress 15 ([= Hengist-Studien 2], Rahden/Westf. 2011), 207 218.
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