ID: LBWD-66413-09; Bezirk: Leibnitz; Gemeinde: Wildon (ehem. Gem. Weitendorf); KG: Kainach bei Wildon; Gst. Nr.: 550; 363/1; 365/4; Flur: Herrschaftsäcker.

 

siehe auch unter:

 

Untersuchung 2024

Christoph Gutjahr, Maria Mandl
Maßnahmennummer: 66413.24.03; Grst. Nr.: 365/4; Durchführungszeitraum: 16.10.2024 bis 02.12.2024


Im Herbst 2024 wurden die Untersuchungen in der erst 2023 entdeckten frühmittelalterlichen Gräbergruppe fortgesetzt, die inmitten einer schon länger bekannten spätmittelbronze- bis älterhallstattzeitlichen
Begräbnisstätte angelegt worden war. Die insgesamt 18 Grabgruben (Gräber FMA_1 bis FMA_18) waren Ost-West bzw. Nordost-Südwest orientiert und in den meisten Fällen nur noch sehr seicht. Die Knochen hatten sich aufgrund der Bodenverhältnisse größtenteils aufgelöst, neben dem Zahnschmelz konnte in einigen Gräbern immerhin die Reste einiger Schädel- und Langknochen dokumentiert werden. Als Beigaben sind Eisenmesser (Grab FMA_3, FMA_9, FMA_10, FMA_13, FMA_14 und FMA_17) sowie Schmuck in Form von Perlenketten aus unterschiedlichen Glasperlen (Grab FMA_2, FMA_3, FMA_8 und FMA_12) und Kopfschmuckringe (Grab FMA_2, FMA_12 und FMA_15) zu nennen. In Grab FMA_10 war wie in dem schon 2023 freigelegten Grab FMA_1 ein Keramikgefäß deponiert. Sieben Gräber waren
höchstwahrscheinlich beigabenlos (Grab FMA_4 bis FMA_7, FMA_11, FMA_16 und FMA_18). Ein nachweislich schon zur Römerzeit bestehender Graben (Obj. 100) bildete offenbar die südliche Grenze der
Gräbergruppe. Abgesehen von den frühmittelalterlichen konnten auch vier spätbronzezeitliche Gräber (Grab 254/Obj. 497, Grab 255/Obj. 498, Grab 257/Obj. 503, Grab 268/Obj. 512; Ha A–Ha B) dokumentiert und geborgen werden.

 

Bericht
Das spätmittelbronze- bis älterhallstattzeitliche Gräberfeld liegt in einem von zusedimentierten bzw. zugeschütteten Altarmen der Kainach durchzogenen Areal, das seit langem intensiv landwirtschaftlich
genutzt wird (Zur Geologie des Gräberfeldes siehe: Hiden 2011, 207–208). Es wurde im Spätsommer 2004 auf der Parzelle 550 entdeckt und seither in mehreren Grabungskampagnen zu einem beträchtlichen Teil freigelegt (Gutjahr 2011a, 141–206; Gutjahr 2011b, 207–218; Gutjahr 2015, 173-193; Gutjahr und Windholz 2017, D56–D62; Gutjahr und Windholz 2020, 241–268; Gutjahr und Mandl 2023, 12–13; Gutjahr und Windholz-Konrad 2024, 629–678. Gutjahr und Mandl 2024, in Druck). Die Grabung im Spätherbst 2024 auf der Parzelle 365/4 diente unter anderem der Abklärung der Ausdehnung der prähistorischen Begräbnisstätte nach Norden, das Hauptaugenmerk lag aber auf der Untersuchung des im Zuge der Grabungskampagne 2023 entdeckten frühmittelalterlichen Gräberfeldes. Für die damals inmitten des urgeschichtlichen Brandgräberfeldes freigelegte Körperbestattung (Grab FMA_1, Obj. 470) ist anhand des beigegebenen Keramikgefäßes eine Niederlegung in den Jahrzehnten um 800 wahrscheinlich (Eichert Gruppe B). Aus Zeitgründen wurde 2023 die Untersuchung von fünf weiteren als Grabgruben interpretierten Verfärbungen auf 2024 verschoben. Bei dieser Kampagne wurden auf einer Fläche von zirka 325 m² insgesamt 17 Gräber aufgedeckt. Die in den meisten Fällen nur mehr sehr seichten Grabgruben (durchschnittlich 0,20 m) waren entweder exakt Ost-West oder Nordost-Südwest orientiert. Die Knochen der Bestatteten hatten sich im kalkarmen Schotter größtenteils aufgelöst, erhalten blieb in den meisten Fällen nur der Zahnschmelz, wodurch die Lage des Kopfes im Westen der Grabgrube nachgewiesen werden konnte. Im Grab FMA_3 (Obj. 496) war noch ein Leichenschatten wahrnehmbar. In einigen Gräbern waren geringe Teile des Schädels und der Langknochen erhalten geblieben. Es ist anzunehmen, dass die Körperorientierung mit dem Kopf im Westen im Gräberfeld die Regel war (Blick nach Osten). In einzelnen Fällen war es möglich, die Länge des Skelettes zu erschließen. Dabei stachen die Maße der bestatteten Person aus Grab FMA_18 (Obj. 519) hervor: Das Skelett wies bei getreckter Rückenlage von der Schädelkalotte bis zum Fußwurzelknochen eine Länge von 1,90 m
auf – die durchschnittliche Skelettlänge beider Geschlechter beträgt in Kainach bei Bestattungen dieser Zeitstellung etwa 1,60 m. Von den insgesamt 18 Gräbern waren höchstwahrscheinlich sieben beigabenlos. Wie in Grab FMA_1 (Obj. 470) war auch in Grab FMA_10 (Obj. 499) ein Topf deponiert worden. Während das Gefäß in Letzterem im Bereich der Beine stand, befand sich der Topf in Grab FMA_1 ca. 0,70 m über der Sohle an der Seite der Grabgrube. In den Gräbern FMA_2, FMA_3, FMA_8 und FMA_12 (Obj. 500, 496, 479 und 504) geben zahlreiche Glasperlen unterschiedlicher Farbe und Form sowie unterschiedlichen Typs (grüne und dunkelblaue Einzelperlen, dunkelblaue, silbrige und goldene Mehrfachperlen sowie winzige, ovale blau-weiß-gestreifte Perlen) auf Brusthöhe der Bestatteten einen Hinweis auf ehemals vorhandene Perlenketten. In zweien dieser Gräber (Grab FMA_2 und FMA_12) fand sich je ein Paar Kopfschmuckringe im Ohrbereich, während Grab FMA_15 (Obj. 516) nur einen Kopfschmuckring, ebenfalls im Ohrbereich, enthielt. Die Kopfschmuckringe sind vor erfolgter Restaurierung nicht genauer anzusprechen; vermutlich handelt es sich um buntmetallene Imitationen gehobener Kopfschmuckringe mit Glasperlenanhängern oder granulierter, möglicherweise traubenförmiger Zier aus Edelmetall. In den Gräbern FMA_3 und FMA_13 (Obj. 496 und 514) fanden sich Eisenmesser auf Höhe des linken Oberarms (Verweis auf Brust- oder Ärmeltasche), in den Gräbern FMA_9, FMA_10, FMA_14 und FMA_17 (Obj. 483, 499, 515 und 518) lagen sie hingegen auf Hüfthöhe (Trageweise in Verbindung mit Gürtel). In den Gräben FMA_10 und FMA_13 (Obj. 499 und 514) konnten lineare Holzkohlestrukturen festgestellt werden, die auf eine Verschalung der Grabgruben oder eventuell Särge hinweisen. Grab FMA_11 (Obj. 481) war in die Verfüllung eines bei früheren Kampagnen schon mehrfach dokumentierten Grabens (Obj. 100) eingebracht. Der in seiner Funktion bislang nicht geklärte Graben lässt sich von Ost nach West verlaufend über 300 m verfolgen. Bei der Grabungskampagne 2024 konnte aus der Verfüllung der Deckel eines Doliums geborgen werden, womit ein Bestehen des Grabens schon in der Römerzeit belegt ist. Offenbar bildete der Graben die südliche Begrenzung der frühmittelalterlichen Gräbergruppe, die anhand der Beigaben zeitlich der Gruppe B (740–830) von Eichert entspricht (Eichert 2010,164–166). Abgesehen von den frühmittelalterlichen Gräbern konnten auch vier spätbronzezeitliche Grabstätten (Grab 254/Obj. 497, Grab 255/Obj. 498, Grab 257/Obj. 503, Grab 268/Obj. 512) dokumentiert und geborgen werden. Als deren älteste erweist sich Grab 257, das als Urne einen von Bachgeschiebe umstellten Doppelkonus mit senkrechter Kammverzierung am Gefäßunterteil enthielt (Bz D/Ha A1). Die Gräber 254/Obj. 497 und 255/Obj. 498 sind vor erfolgter Restaurierung nur allgemein der Stufe Ha B zuzuordnen, für das stark in Mitleidenschaft gezogene Grab 268/Obj. 512 kann anhand der Grabcharakteristika (steinumstelltes Einzelgefäß?) eine Datierung in die ältere oder frühe Urnenfelderzeit vermutet werden. Dessen Lage im nördlichen Bereich der Parzelle 365/4 lässt jedenfalls darauf schließen, dass sich die Kainacher Nekropole auch am westlichen Nachbargrundstück (Parz. 550) noch weiter nach Norden ausdehnt.

Literatur
E
ICHERT 2010: STEFAN EICHERT, Die frühmittelalterlichen Grabfunde Kärntens. Die materielle Kultur Karantaniens anhand der Grabfunde vom Ende der Spätantike bis ins 11. Jahrhundert, Aus Forschung und Kunst 37, Klagenfurt am Wörthersee 2010. 
GUTJAHR 2011a: CHRISTOPH GUTJAHR, Mittel- bis frühspätbronzezeitliche Gruben aus dem Bereich des Gräberfeldes Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf, Stmk.) In: CHRISTOPH GUTJAHR – GEORG TIEFENGRABER (Hgg.), Beiträge zur Mittel- und Spätbronzezeit sowie zur Urnenfelderzeit am Rande der Südostalpen, Akten des 1. Wildoner Fachgespräches vom 25. bis 26. Juni 2009 in Wildon/Steiermark (Österreich). Internationale Archäologie – Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress 15 (= Hengist Studien 2), Rahden/Westf. 2011, 141–206. 
GUTJAHR 2011b: CHRISTOPH GUTJAHR, Ein frühurnenzeitliches Brandgrab aus dem Gräberfeld Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf, Stmk.) In: CHRISTOPH GUTJAHR – GEORG TIEFENGRABER (Hgg.), Beiträge zur Mittel- und Spätbronzezeit sowie zur Urnenfelderzeit am Rande der Südostalpen, Akten des 1. Wildoner Fachgespräches vom 25. bis 26. Juni 2009 in Wildon/Steiermark (Österreich). Internationale Archäologie – Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress 15 (= Hengist Studien 2), Rahden/Westf. 2011, 207–218. 
GUTJAHR 2015: CHRISTOPH GUTJAHR, Das Grab 3 aus dem spätbronze- und frühhallstattzeitlichen Gräberfeld von Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf, Steiermark. In: CHRISTOPH GUTJAHR – GEORG TIEFENGRABER (Hgg.), Beiträge zur Hallstattzeit am Rande der Südostalpen, Akten des 2. Internationalen Symposiums am 10. und 11. Juni 2010 in Wildon (Steiermark/Österreich). Internationale Archäologie – Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress 19 (= Hengist Studien 3), Rahden/Westf. 2015, 173–194. 
GUTJAHR UND MANDL 2023: CHRISTOPH GUTJAHR und MARIA MANDL, Archäologie im Kulturpark Hengist, Hengist-Magazin. Zeitschrift für Archäologie, Geschichte und Kultur der Mittelsteiermark, 2/2023, 12–17. 
GUTJAHR und WINDHOLZ-KONRAD 2017: CHRISTOPH GUTJAHR und MARIA WINDHOLZ-KONRAD, Das spätbronze- und frühhallstattzeitliche Brandgräberfeld in der KG Kainach, MG Wildon.
Pilotprojekt„Computertomographie und Archäologie – innovative Einsatzmöglichkeiten für Restaurierung und Forschung“: erste archäologische Ergebnisse.
Fachgespräch „Computertomografie und Archäologie“, 7. April 2016, Graz (Steiermark). In: Fundberichte aus Österreich 54, 2015 (2017), D56–D62.
GUTJAHR und WINDHOLZ-KONRAD 2020: CHRISTOPH GUTJAHR und MARIA WINDHOLZ-KONRAD, Horte und Nekropolen. Ein kurzer Streifzug durch die Spätbronze- und ältere Eisenzeit im Raum Wildon (Steiermark, Österreich). In: Das Altertum 65, 2020, 241–268.
GUTJAHR und WINDHOLZ-KONRAD 2024: CHRISTOPH GUTJAHR und MARIA WINDHOLZ-KONRAD, Aktuelle Einblicke in die spätmittelbronze- bzw. frühurnenfelder- bis älterhallstattzeitliche Nekropole Kainach bei Wildon, Steiermark, Arheološki vestnik 75, 2024, 629–678. 
HIDEN 2011: HARTMUT HIDEN, Geologie. In: Christoph Gutjahr, Ein frühurnenzeitliches Brandgrab aus dem Gräberfeld Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf, Stmk. In: CHRISTOPH GUTJAHR – GEORG TIEFENGRABER (Hgg.), Beiträge zur Mittel- und Spätbronzezeit sowie zur Urnenfelderzeit am Rande der Südostalpen, Akten des 1. Wildoner Fachgespräches vom 25. bis 26. Juni 2009 in Wildon/Steiermark (Österreich). Internationale Archäologie – Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress 15 (= Hengist Studien 2), Rahden/Westf. 2011, 207–208.

  

Untersuchung 2023

Christoph Gutjahr, Maria Mandl
Maßnahmennummer: 66413.23.01; Grst. Nr.: 365/4; Durchführungszeitraum: 16.11.2023–15.12.2023

 Zusammenfassung
Das spätmittelbronze- bis älterhallstattzeitliche Gräberfeld Kainach wurde im Spätsommer 2004 im Zuge von Vorarbeiten für die Errichtung eines – bis dato nicht realisierten – Industrieparks entdeckt. Seither wurde in mehreren Grabungskampgenen ein Großteil des Gräberfelds freigelegt. Die Untersuchungen auf der Parzelle 365/4 im Spätherbst 2024 dienten dazu, nach Möglichkeit die nördliche Grenze des ausgedehnten Begräbnisareals festzulegen und die Untersuchungslücke zwischen der Parzelle 550 im Westen und der Parzelle 363/1 im Osten zu schließen. Dabei traten zwölf Brandgräber und überraschenderweise auch eine frühmittelalterliche Körperbestattung zutage. Der Großteil der Brandgräber war mit einem Kegelhalsgefäß, einer oder zwei Schalen und einer Tasse ausgestattet (Grab 238–241, 246). Der Leichenbrand befand sich zumeist in einer der Schalen. In einigen Fällen wurde neben dem Kegelhalsgefäß ein weiterer kleinerer Topf beigegeben, in dem sich der Leichenbrand befand (Grab 242, 244, 247) In Grab 240 diente das Kegelhalsgefäß als Urne. Die Gräber 249 und 250 enthielten jeweils nur einen Topf, wobei in Grab 250 der Unterteil eines Topfes als Deckel diente.Die Reste einer kreisförmig um die Grube von Grab 247 angelegten Steinsetzung aus hauptsächlich Limoniten und wenigen Flussgeschieben lassen sich als Unterbau oder Befestigung einer Hügelaufschüttung über der Bestattung interpretieren. In unmittelbarer Nähe zu einem Brandgrab im südlichen Untersuchungsbereich wurde eine ost-westlich orientierte Grabgrube (Grab 245) einer frühmittelalterlichen Körperbestattung freigelegt. Ein mit Wellenband verzierter Topf in einer kleinen Ausbuchtung des Grabschachtes gut 0,70 m oberhalb der Sohle datiert die Bestattung in die Jahrzehnte um 800 n. Chr. Von der Bestattung waren nur geringe Knochenreste erhalten geblieben. Auf Kopfhöhe befand sich ein nicht näher bestimmbares Metallfragment. Aus Zeitgründen konnten fünf Verfärbungen im Umfeld der Bestattung, bei denen es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um weitere frühmittelalterliche Gräber handelt, nicht untersucht werden.

Bericht
Die Kainacher Begräbnisstätte liegt in einem von zusedimentierten bzw. zugeschütteten Altarmen der Kainach durchzogenen Areal, das seit langem intensiv landwirtschaftlich genutzt wird (Zur Geologie des Gräberfeldes siehe: Hiden 2011, 207–208). Dementsprechend war ein beträchtlicher Teil der bei den vergangenen Kampagnen aufgedeckten Gräber durch den Pflug stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Nekropole wurde im Spätsommer 2004 im Zuge von Vorarbeiten für die Errichtung eines bis dato nicht realisierten Industrieparks auf der Parzelle 550 entdeckt (Gutjahr 2011a, 141-206; Gutjahr 2011b, 207–218, Gutjahr 2015, 173–193; Gutjahr und Windholz 2017, D56–D62; Gutjahr und Windholz 2020, 241–268; Gutjahr und Trausner 2019, D5722–5726). Seither fanden mehrere Grabungskampgenen statt, bei denen sowohl die westliche als auch die östliche Grenze des Bestattungsplatzes ermittelt werden konnte (Gutjahr und Mandl 2023, 12–13. Gutjahr und Windholz-Konrad 2024, in Druck). Im Süden setzt sich die Nekropole südlich der Kainachtalstraße weiter fort. Die Grabungskampagne auf der Parzelle 365/4 im Spätherbst 2023 diente dazu, nach Möglichkeit die nördliche Grenze des Begräbnisareals festzulegen und die Untersuchungslücke zwischen der Parzelle 550 im Westen und der Parzelle 363/1 im Osten zu schließen.Alle zwölf Gräber waren in den anstehenden Schotter oder Sand eingetieft worden, wobei die Grabgrube nicht in jedem Fall zu erkennen war. Der hohe Zerscherbungsgrad der 2023 aufgedeckten Gräber ist auf die landwirtschaftliche Nutzung zurückzuführen. Die von Pflugscharen verursachten Zerstörungen sind etwa an den Gefäßen von Grab 247 deutlich zu erkennen. Soweit der Erhaltungszustand der Gefäße die Beobachtung zuließ, war der Großteil der Brandgräber mit einem Kegelhalsgefäß, einer oder zwei Schalen (überwiegend mit Omphalosboden) und einer Tasse ausgestattet (Grab 238–241, 246). Der Leichenbrand befand sich zumeist in einer der Schalen. In einigen Fällen wurde neben dem Kegelhalsgefäß ein weiterer kleinerer Topf beigegeben, in dem sich der Leichenbrand befand (Grab 242, 244, 247). In Grab 240 diente das Kegelhalsgefäß als Urne. Die Gräber 243 und 249 waren so stark gestört, dass sie nur aufgrund von Leichenbrandresten als solche identifiziert werden konnten. Die Gräber 249 und 250 enthielten jeweils nur einen Topf, wobei in Grab 250 der Unterteil eines Topfes als Deckel diente.

Die Reste einer kreisförmig um die Grube von Grab 247 angelegten Steinsetzung aus hauptsächlich Limoniten und wenigen Flussgeschieben lassen sich als Unterbau oder Befestigung einer Hügelaufschüttung über der Bestattung interpretieren. Die meisten der 2023 freigelegten Kainacher Gräber kommen hinsichtlich des Beigabenensembles der von Tiefengraber für das nördlich benachbarte Gräberfeld von Kalsdorf zusammengestellten Ausstattungsgruppe I nahe (repräsentativ für die Stufe Kalsdorf Ic). Vorbehaltlich der noch zu erfolgenden Restaurierung und Konservierung der überwiegend blockgeborgenen Grabbeigaben kann somit eine Datierung in die frühe Hallstattzeit (Ha C1) angenommen werden (Tiefengraber 2005, 132–134). Ausgenommen bleiben davon vorläufig die Gräber 249 und 250, die jeweils nur ein Gefäß (Urne) beinhalteten und ohne Ansprache von Form und Verzierung nicht präzise datieren lassen. Wie schon die 2022 vorgenommenen Untersuchungen auf der benachbarten Parz. 363/1 vermuten lassen, zeichnet sich im Südosten ein durch Gräber der jüngeren Belegungsphasen gekennzeichneter Nekropolenbereich ab. In unmittelbarer Nähe zu einem Brandgrab im südlichen Untersuchungsbereich wurde eine ost-westlich orientierte Grabgrube (Grab 245) einer frühmittelalterlichen Körperbestattung freigelegt. Ein mit Wellenband verzierter Topf befand sich in einer kleinen Ausbuchtung des Grabschachtes gut 0,70 m oberhalb der Sohle. Von dem Skelett waren lediglich Teile des Kieferknochens sowie der Zahnschmelz und ein kleiner Teil eines Oberschenkels erhalten. Auf Kopfhöhe wurde ein nicht näher bestimmbares Metallfragment geborgen. Das Gefäß mit dem Wellenband datiert das Grab in die Jahrzehnte um 800 n. Chr. Aus Zeitgründen konnten fünf langrechteckige Verfärbungen im Umfeld der Bestattung nicht untersucht werden, bei denen es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um weitere frühmittelalterliche Gräber handelt.

Literatur
Gutjahr 2011a:
Christoph Gutjahr, Mittel- bis frühspätbronzezeitliche Gruben aus dem Bereich des Gräberfeldes Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf, Stmk.) In: Christoph Gutjahr – Georg Tiefengraber (Hgg.), Beiträge zur Mittel- und Spätbronzezeit sowie zur Urnenfelderzeit am Rande der Südostalpen, Akten des 1. Wildoner Fachgespräches vom 25. Bis 26. Juni 2009 in Wildon/Steiermark (Österreich). Internationale Archäologie – Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress 15 (= Hengist Studien 2), Rahden/Westf. 2011, 141-206. 
Gutjahr 2011b: Christoph Gutjahr, Ein frühurnenzeitliches Brandgrab aus dem Gräberfeld Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf, Stmk.) In: Christoph Gutjahr – Georg Tiefengraber (Hgg.), Beiträge zur Mittel- und Spätbronzezeit sowie zur Urnenfelderzeit am Rande der Südostalpen, Akten des 1. Wildoner Fachgespräches vom 25. Bis 26. Juni 2009 in Wildon/Steiermark (Österreich). Internationale Archäologie – Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress 15 (= Hengist Studien 2), Rahden/Westf. 2011, 207-218. 
Gutjahr 2015: Christoph Gutjahr, Das Grab 3 aus dem spätbronze- und frühhallstattzeitlichen Gräberfeld von Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf, Steiermark. In: Christoph Gutjahr – Georg Tiefengraber (Hgg.), Beiträge zur Hallstattzeit am Rande der Südostalpen, Akten des 2. Internationalen Symposiums am 10. und 11. Juni 2010 in Wildon (Steiermark/Österreich). Internationale Archäologie – Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress 19 (= Hengist Studien 3), Rahden/Westf. 2015, 173-194.
Gutjahr und Mandl 2023: Christoph Gutjahr und Maria Mandl, Archäologie im Kulturpark Hengist, Hengistmagazin. Zeitschrift für Archäologie, Geschichte und Kultur der Mittelsteiermark, 2/2023, 12-17. 
Gutjahr und Windholz-Konrad 2017: Christoph Gutjahr und Maria Windholz-Konrad 2017, Das spätbronze- und frühhallstattzeitliche Brandgräberfeld in der KG Kainach, MG Wildon. Pilotprojekt „Computertomographie und Archäologie – innovative Einsatzmöglichkeiten für Restaurierung und Forschung“: erste archäologische Ergebnisse. Fachgespräch „Computertomografie und Archäologie“, 7. April 2016, Graz (Steiermark). In: Fundberichte aus Österreich 54, 2015 (2017), D56–D62. 
Gutjahr und Windholz-Konrad 2020: Christoph Gutjahr und Maria Windholz-Konrad 2020, Horte und Nekropolen. Ein kurzer Streifzug durch die Spätbronze- und ältere Eisenzeit im Raum Wildon (Steiermark, Österreich). In: Das Altertum 65, 2020, 241–268. 
Gutjahr und Windholz-Konrad 2024: Christoph Gutjahr und Maria Windholz-Konrad 2024, Aktuelle Einblicke in die spätmittelbronze- bzw. frühurnenfelder- bis älterhallstattzeitliche Nekropole Kainach bei Wildon, Steiermark, Arheološki vestnik 75, 2024, im Druck.
Gutjahr und Trausner 2019: Christoph Gutjahr und Martina Trausner, Archäologische Ausgrabung, Hallstattzeitliches Hügelgräberfeld Kainach bei Wildon 2017. In: Fundberichte aus Österreich 56, 2017 (2019), D5722-5726. 
Hiden 2011: Hartmut Hiden, Geologie (Beitrag in: Christoph Gutjahr, Ein frühurnenzeitliches Brandgrab aus dem Gräberfeld Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf, Stmk.) In: Christoph Gutjahr – Georg Tiefengraber (Hgg.), Beiträge zur Mittel- und Spätbronzezeit sowie zur Urnenfelderzeit am Rande der Südostalpen, Akten des 1. Wildoner Fachgespräches vom 25. Bis 26. Juni 2009 in Wildon/Steiermark (Österreich). Internationale Archäologie – Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress 15 (= Hengist Studien 2), Rahden/Westf. 2011, 207-218. 
Tiefengraber 2005: Georg Tiefengraber, Untersuchungen zur Urnenfelder- und Hallstattzeit im Grazer Becken, Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 124.

 

Untersuchungen 2004 bis 2007

Das Gräberfeldareal liegt der Marktgemeinde Wildon benachbart am Ufer der Kainach, nahe der Mündung derselben in die Mur, etwa 20 km südlich von Graz auf zirka 300 m Seehöhe im Bereich weiter Schotterterrassen, die hier durch Mur und Kainach abgelagert wurden.Der ausgedehnte Bestattungsort ist vermutlich der zirka 1.500 m Luftlinie entfernten urnenfelderzeitlichen Siedlung am Wildoner Schlossberg (Anm. 1) zuzuordnen, doch ist auch ein Zusammenhang mit einer noch nicht entdeckten Flachland(be)siedlung nicht auszuschließen.
Im Spätsommer 2004 kam bei Vorarbeiten für die Errichtung eines bis heute nicht realisierten Industrieparks ein spätbronzezeitliches Gräberfeld zutage, dessen jüngste Bestattungen bereits in die frühe Hallstattzeit überleiten (z. B. Grab 3). (Anm. 2)
Bis 2007 wurden dann große Teile dieses noch keineswegs erschöpften Gräberfeldes im Zuge einer Notgrabungsmaßnahme durch den Verein Kulturpark Hengist archäologisch untersucht.
Insgesamt wurden auf einer Fläche von etwa 17.300 m² (Gst. Nr. 365/4 und 550) 430 Objekte dokumentiert, davon können derzeit zirka 230 als hauptsächlich spätbronzezeitliche Brandgräber angesprochen werden. Sie gehören mutmaßlich zu zwei Gräberfeldern, vielleicht sogar auch noch zu einem dritten. Neben Flachgräbern sind auch abgekommene Hügelgräber nachgewiesen. Es handelt sich um das größte Gräberfeldareal dieser Zeitstellung in der Steiermark und um eines der bedeutendsten im Südostalpenraum. Etwa 300 m nordöstlich des Gräberfeldes liegt der sogenannte Galgenkogel, ein Ende der 1920iger Jahre von Marianne Grubinger ergrabenes hallstattzeitliches Hügelgrab, das u. a. die Reste zweier Kegelhalsgefäße mit mehreren in Streifen angeordneten Bronzeappliken enthielt. (Anm. 3)
Die Gräber lagen zumeist direkt unter dem Ackerhumus und waren in vielen Fällen nur (noch) sehr seicht in den anstehenden Schotter oder in leicht sandigen Lehm eingetieft und zusätzlich durch die Pflugtätigkeit und die begonnenen Baumaßnahmen in Mitleidenschaft gezogen. Die Keramikbeigaben respektive die Gräber waren dadurch oftmals zur Hälfte oder auch zu zwei Dritteln gekappt. Die Gräber wurden fast ausnahmslos in Holzkisten und/oder als Gips- oder Folienblock geborgen, was vor erfolgter Restaurierung umfangreichere Aussagen zur Grabausstattung sowie zum Keramikdekor vorerst einschränkt.Die vorwiegend ovalen bis rechteckigen Grabgruben waren im Boden meist nur sehr schwer zu erkennen. Mehrfach waren alte Beraubungsspuren oder Störungen nachzuweisen. Steinsetzungen oder Steinkisten fanden sich selten, ebenso Steinabdeckungen oder etwa die Abdeckung der Urne mittels (Einzug-)Schale. Nur in den Gräbern 79 und 132 war eine Brandschüttung eingebracht. Die Deponierung des Leichenbrandes erfolgte in der Regel in Keramikurnen (Töpfe, häufig Kegelhalsgefäße, nur in einigen Fällen in organischen Behältnissen). Den Toten wurden weitere Keramikgefäße bzw. Geschirrsätze (Einzug- und Turbanrandschalen, div. Töpfe, Tassen etc.) in das Grab mitgegeben. Die Keramik weist oftmals eingetiefte und erhabene Verzierungen (Ritzung, Kannelur, Punktdekor, Rollrädchen, Knubben etc.) auf. An vorwiegend unverbrannten Metallbeigaben fanden sich in erster Linie verzierte Messer (u. a. Typ Pfatten, Grab 67), Rasiermesser und Bronzenadeln. Erwähnenswert ist ferner die Beigabe einer verzierten Bronzetasse (Grab 67) sowie eines leicht tordierten Goldringes (Grab 79).
Aus finanziellen Gründen konnten bisher lediglich die Gräber 3, 65, 79 und 214 restauriert werden. Es ist aber bereits jetzt ersichtlich, dass einige Gräber in der Grabausstattung starke Bezüge zu inneralpinen Kulturgruppen aufweisen und zwar insbesondere in den Bereich der Laugener Kulturgruppe (nach dem eponymen Fundort Laugen in Südtirol), dessen zentrales Verbreitungsgebiet die Ostschweiz, Liechtenstein, Vorarlberg, Nord- und Südtirol sowie das Trentino umfasst. An dieser Stelle sei etwa das Grab 65 hervorgehoben, aus dem u. a. eine nahezu vollständige Kanne mit ausgezipfeltem Rand (sog. Schneppenkanne, Stufe Laugen B/Ha B1, zirka 1050–950/920 v. Chr.) und ein Zylinderhalsgefäß mit Tannenzweigzier stammen. Westliche Beziehungen in den norditalienisch-tirolerischen Raum bezeugen ebenso die Beigaben aus dem Grab 42, welches u. a. ein Gefäß mit Tannenzweigzier sowie eine Nadel des Typs Marco, eine Nadel des Typs Cles/Variante B und eine weitere Nadel italischen Typs beinhaltete.(Anm.4) Über das Grab 79 wiederum sind u. a. nordöstliche Verbindungen in den Bereich der schlesischen Gruppe der Lausitzer Kultur (Südwestpolen) aber auch zum nördlichen Balkan (Lika, Westbosnien, Norddalmatien und Ostslowenien) belegt. (Anm. 5)
Soweit vorerst ersichtlich, datieren die Kainacher Gräber in die Stufen Hallstatt (=Ha) A2/B1 bis Ha B3/C1 (zirka 1225 800/750 v. Chr.), der Schwerpunkt der Belegung liegt in Ha B (zirka 1050–800 v. Chr.). Besonderes Interesse kommt (mindestens) einem älterurnenfelderzeitlichen Brandgrab zu. Die aus dem Grab 214 geborgenen Keramikfragmente ließen sich insgesamt drei Gefäßen zuordnen: einem Doppelkonus und zwei Henkeltassen. Das Kainacher Grab datiert in Stufe Ha A1 (zirka 1225–1150 v. Chr.) und zählt somit zu den ältesten bislang in der Steiermark aufgedeckten Gräbern aus gesicherten Fundzusammenhängen. (Anm. 6)
 
Anmerkungen/Literatur
Anm.1: Diether KRAMER, Aus der Ur- und Frühgeschichte von Wildon. In: Mitteilungsblatt der Korrespondenten der Historischen Landeskommission für Steiermark 2 (1989), 10 36, hier bes. 30ff.
Anm. 2: Martina ROSCHER, Jahresbericht. In: Fundberichte aus Österreich 43 (2004), 56 57.   Martina ROSCHER, Das urnenfelderzeitliche Gräberfeld in Kainach bei Wildon. In: Hengist-Magazin. Zeitschrift für Archäologie, Geschichte und Kultur der Mittelsteiermark 1 (2005), 6 7.   Christoph GUTJAHR, Das urnenfelderzeitliche Gräberfeld Kainach bei Wildon. Ein Zwischenbericht. In: Hengist-Magazin. Zeitschrift für Archäologie, Geschichte und Kultur der Mittelsteiermark 2 (2005), 7.
Anm. 3: Marianne GRUBINGER, Die Hügelgräber bei Wildon in Steiermark. In: Eiszeit und Urgeschichte. Jahrbuch für Erforschung des vorgeschichtlichen Menschen und seines Zeitalters 7, Heft 1 und 2 (1930), 114 123 u. Taf. 18 19.
Anm. 4: Siehe dazu Martina BLEÈIÆ KAVUR, The fastest way to the Big Sea. A contribution to the knowledge about the influence of the UFC on the territory of the northern Adriatic. In: Christoph GUTJAHR/Georg TIEFENGRABER (Hgg.), Beiträge zur Mittel- und Spätbronzezeit sowie zur Urnenfelderzeit am Rande der Südostalpen, Akten des Internationalen Symposiums am 25. und 26. Juni 2009 in Wildon/Stmk. (Internationale Archäologie – Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress 15 ([= Hengist-Studien 2], Rahden/Westf. 2011), 51 62, hier bes. 51, 56; 51, Fig. 1; 54, Fig. 5; 57, Fig. 8.
Anm. 5: Christoph GUTJAHR, Das spätbronzezeitliche Grab 79 aus dem Gräberfeld von Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf, Stmk. In: Sneža Tecco Hvala (Hg.), Studia praehistorica in honorem Janez Dular, Opera Instituti Archaeologici Sloveniae 30, Ljubljana 2014, 91 112.
Anm. 6: Christoph GUTJAHR, Das älteste Grab der Steiermark? Eine frühurnenfelderzeitliche Bestattung aus Weitendorf. In: Hengist-Magazin. Zeitschrift für Archäologie, Geschichte und Kultur der Mittelsteiermark 1 (2009), 4 5.   Christoph GUTJAHR, Ein frühurnenfelderzeitliches Brandgrab aus dem Gräberfeld Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf, Stmk. In: Christoph GUTJAHR /Georg TIEFENGRABER (Hgg.), Beiträge zur Mittel- und Spätbronzezeit sowie zur Urnenfelderzeit am Rande der Südostalpen, Akten des Internationalen Symposiums am 25. und 26. Juni 2009 in Wildon/Stmk. (Internationale Archäologie – Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress 15 ([= Hengist-Studien 2], Rahden/Westf. 2011), 207 218.

 

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