Grabungsberichte 2008, 2023, 2025

ID: LBWI-66429-32; Bezirk: Leibnitz; Gemeinde: Wildon; KG: Unterhaus; Gst. Nr.: 10/1; 10/2; 178; 183; 190; 191


siehe auch unter:

 

Untersuchung 2025

Christoph Gutjahr und Maria Mandl
Maßnahmennummer: 66429.25.02; Grst. Nr.: 10/1; Durchführungszeitraum: 17.06.2025 – 01.07.2025

Bericht in Bearbeitung

 

Untersuchung 2023

Christoph Gutjahr und Maria Mandl
Maßnahmennummer: 66429.23.02; Grst. Nr.: 10/1; Durchführungszeitraum: 15.05.2023–31.05.2023

Zusammenfassung
Die Maßnahme musste aufgrund der Verbreiterung bestehender Forstwege im denkmalgeschützten Bereich des Wildoner Schlossberges durchgeführt werden. Von den Eingriffen waren vor allem die bergseitigen Böschungen betroffen, wodurch am Nordhang oberhalb des Marktes Wildon Erosionsschichten angeschnitten wurden, die zahlreiches Fundmaterial enthielten. Der Schwerpunkt des größtenteils keramischen Fundguts lag dabei auf der Urnenfelder- und Hallstattzeit. Kulturschichten oder Befunde derselben Zeitspanne konnten in den Profilen nicht dokumentiert werden. Weiters wurde eine schon bei früheren Bodeneingriffen bestoßene Mauer als Nordost-Südwest verlaufende Stichmauer der unterhalb von Neuwildon gelegenen kleinen Wehranlage Ful identifiziert. Östlich davon befanden sich die Reste eines Kalkbrennofens, der vorbehaltlich weiterer Untersuchungen vermutlich zum Zeitpunkt des Bestehens einer der vier Burganlagen am Wildoner Schlossberg in Betrieb war.

Bericht
Im Zuge der Maßnahme wurden sämtliche von dem Bodeneingriff betroffenen Forstwege begangen und auf archäologisch relevante Befunde hin begutachtet. Sehr schnell zeigte sich, dass hauptsächlich Erosionsschichten angeschnitten und umgelagert worden waren. Die große Menge an Fundmaterial, die dabei anfiel, wurde aufgesammelt und kann nach einer ersten Durchsicht größtenteils der Urnenfelder- und der Hallstattzeit zugeordnet werden. Zur genauen Abklärung der Befundsituation wurden am Nordhang direkt oberhalb des Marktes Wildon zwei Profile (Profil 1-2) angelegt. Unter dem Waldboden lagen Erosionsschichten (SE 2-4 und SE 6-7), die sich optisch voneinander unterscheiden ließen und sich vermutlich zu verschiedenen Zeiten abgelagert haben. Die beträchtliche Menge an Fundmaterial lässt sich durch die Lage der Fundstätte unterhalb der sogenannten Meierwiese erklären, einer auch durch Geoprospektion belegten, wohl urnenfelder- und/oder hallstattzeitlichen Siedlungsterrasse.

Nordwestlich der Meierwiese wurde durch die Forstwegverbreiterung eine schon zu einem früheren Zeitpunkt gekappte Mauer (Mauer 2, SE 16) in der Böschung sichtbar. Diese konnte auch jenseits des Forstweges auf einer kleinen Geländestufe, die als Manipulationsfläche genutzt worden war, auf einer Länge von knapp fünf Metern dokumentiert werden. Die Nordost-Südwest verlaufende Mauer aus Kalksteinen im Mörtelverbund war nur noch in zwei Lagen vorhanden. Sie stand auf einem künstlichen Erdwall, der sich bis zur hochmittelalterlichen Wehranlage Ful am Nordabhang des Schlossberges verfolgen lässt. Auch dort stehen noch Reste dieser Stichmauer, die anhand der Mauertechnik in das 13. Jahrhundert datiert wird (Murgg 2009, 88-93. Freundliche Mitteilung Thomas Kühtreiber bei einem Lokalaugenschein am 1. Juni 2023). Durch die Materialentnahme entstand östlich des Walls ein Graben, der sich heute noch im steil abfallenden Gelände abzeichnet. Ob das Erdwerk bewusst als Unterbau für die Mauer konstruiert oder sekundär genutzt wurde, ließ sich aufgrund fehlenden Fundmaterials in den Aufschüttungen noch nicht klären. In einem Schnitt an der Ostseite der Mauer konnten zwar zwei Schichten (SE 22 und SE 24) in einer Tiefe von gut einem Meter unter der Mauerunterkante mit frühmittelalterlichen und prähistorischen Keramikfragmenten dokumentiert werden, höchstwahrscheinlich sind diese aber nicht dem Erdwall zuzuordnen, sondern hatten sich schon früher dort abgelagert. Die geringe Mauerstärke von durchschnittlich einem Meter ist aufgrund des großen Gefälles nicht weiter verwunderlich, da dieses allein schon einen natürlichen Schutz vor Angriffen bot. Dass es diese gab, zeigen mehrere im Untersuchungsbereich aufgefundene mittelalterliche Geschoßspitzen von Bolzeneisen von Armbrüsten. Am Südosthang des Schlossberges wurden die Reste eines Kalkbrennofens (Objekt 1) angeschnitten. Im Böschungsprofil war eine Planierung aus Bruchsteinen, verziegeltem Lehm und Kalk zu erkennen. Darunter ragte eine schmale Trockenmauer aus Bruchsteinen (Mauer 1) bis in den Forstweg hinein. Der Ofen befand sich vermutlich – vorbehaltlich weiterer Untersuchungen – zum Zeitpunkt des Bestehens einer der vier Burganlagen am Wildoner Schlossberg in Betrieb. Als kleine Überraschung erwiesen sich die in unmittelbarer Nähe dazu gefundenen Reste eines ledernen Geldbeutels mit 3 Schilling und 30 Groschen mit dem Prägendaten 1946 und 1947.

Literatur
GUTJAHR UND MANDL 2023: CHRISTOPH GUTJAHR und MARIA MANDL, Archäologie im Kulturpark Hengist, Hengist-Magazin. Zeitschrift für Archäologie, Geschichte und Kultur der Mittelsteiermark, 2/2023, 12–17.
Murgg 2009:
Werner Murgg, Burgruinen der Steiermark, FÖMat B 2, Wien 2009, 88–93.

 

 

Untersuchung 2008

Christoph Gutjahr und Herbert Kern

Vom 6. März bis zum 21. März 2008 wurde auf den genannten Parzellen am Südhang des Wildoner Schlossberges im Auftrag des Grundeigentümers eine Forststraße gebaut. Die Grundstücke Nr. 10/2 und 183 stehen unter Denkmalschutz, daher wurden die Bagger-arbeiten auf ihnen ständig archäologisch begleitet (Leitung: Ch. Gutjahr, Kulturpark Hengist). Wegen der überregionalen Bedeutung des Schlossberges als archäologischer Fundstätte wurde auch der übrige Baufortschritt mittels täglicher Begehungen beobachtet.

Bemerkenswerte Befunde kamen lediglich auf Grundstück Nr. 10/2 zutage, sie wurden mit Ausnahme des alt zerstörten, hallstattzeitlichen Grabes (= Grab 1, nur Übersichtsskizze, Fotos) im Maßstab 1:20 gezeichnet, fotografiert und eingemessen. Die Vermessung wurde mit einem optischen Theodoliten (Altgrade) vorgenommen, leider war der EP 2 zerstört, daher musste auf andere Punkte zurückgegriffen werden: Als Hilfspunkt (HP) 1 eine Metallmarke des Vermessungsbüros Dipl.-Ing. Irrgang an der Grenze der Parz. 28/3 und 354/1, nordwestlicher Straßenrand mit KT (Kirchturmspitze Wildon) als Fernziel. HP 2: Grenzstein NE-Grenze Parz. 178 und 191 (Nr. 2514 am Plan). HP 3: Grenzstein zwischen den Parz. Nr. 178, 189, 190 und 191 (Nr. 2513). Sie wurden auf einem Parzellenplan (Maßstab 1:500) eingetragen. Dank der verständnisvollen Haltung des Bauherrn Dr. Bernhard Frizberg, der auch die finanziellen Kosten übernahm, fand die Dokumentation ohne Zeitruck statt. Ihm sei dafür ebenso gedankt wie den Nachbarn Frau Roswitha Schedler für die liebevoll bereitete tägliche Kaffeejause sowie das Aufnehmen und Überlassen von Fotos sowie Herrn Stefan Cernko für das Überlassen des Parzellenplans 1:500 des Vermessungsbüros Legat.

Unter Anwendung der stratigraphischen Grabungsmethode konnten neben dem oben erwähnten Grab 1 (es blieb das einzige) ein spätmittelalterliches (= SpMA) Pfostenhaus (= Objekt 1), eine SpMA Kalkbrenngrube (= Obj. 2) sowie eine SpMA- Grube (= Obj. 3) festgestellt werden.

Grab1: Es bestand nur mehr aus einer 3–15 cm starken Lage aus dunkelbraunem Lehm, völlig unregelmäßig geformt mit einer Ausdehnung von 1,6 m. Darin fanden sich Holzkohlepartikel und Flitter mit einer Größe bis zu 2 cm, kalzinierte Knochen bis zu 1,5 cm und die Fragmente mindestens dreier Gefäße: einer Einzugschale, eines graphitbemalten, kannelierten Kegelhals-gefäßes und eines weiteren größeren, ebenfalls verzierten Gefäßes. Eine Datierung in die Hallstattzeit steht fest, höchstwahrscheinlich in deren älteren Abschnitt (Ha C). Der Teil einer bronzenen dünnen Nadel – wohl von einer Fibel – lässt somit an eine weibliche Bestattung in einer Urne denken, da wegen des Fehlens von verziegelten Lehmbröckchen zwischen der Holzkohle und den kalzinierten Knochen kein Brandschüttungsgrab vorliegt. Die Zerstörung des Grabes fand höchstwahrscheinlich bereits bei den Bauarbeiten auf der Parz. 177 statt.

Objekt 1: Der Befund konnte nur im Profil festgestellt werden. Es handelte sich um den 2,2 m langen, 0,25 m tiefen Teil einer Grube mit steilschräger Böschung und ebener Sohle. Auf ihr lag eine 0,12 m starke Schicht aus braungelbem, schluffigem Lehm (= SE 10), die vereinzelt mittelalterliche Keramik (verrollt, Größe bis zu 2 cm) enthielt und deren Oberfläche – nicht durchgehend – bis zu 1,5 cm stark verziegelt war. Die unmittelbar darüber liegende 10 cm starke Schicht mit reichlich Holzkohle (= SE 6) enthielt mehre Keramikfragmente aus dem SpMA sowie einige prähistorische. Zwei Pfostenlöcher (Tiefe und Dm 0,2 m, mit spitzer Sohle) sind jünger als oder gleichzeitig mit SE 10, die als Lehmestrich eines Gebäudes anzusehen ist. Die SE 6, die jünger als die zwei Pfostenlöcher ist, stellt den Rest dieses abgebrannten Gebäudes aus dem SpMA dar. Ausdehnung und Orientierung des Gebäudes konnten nicht festgestellt werden, da auf die flächige Ausgrabung wegen der nicht unmittelbaren Gefährdung des Objektes verzichtet wurde.

Objekt 2: Grube von rechteckiger Struktur, Orientierung NNE–SSW, 9,2 x 8,15 m, seitliche Begrenzungen steilschräg, Übergang zur Sohle etwas gerundet, Tiefe: 0,8–0,85 m, Sohle eben. Die Grube ist in sterilen gelbbraunen schluffigen Lehm eingetieft, die Sohle unregelmäßig und zu rund 50% bis zu 4 cm, meist jedoch schwächer verziegelt. Die Mächtigkeit der Verziegelung im Böschungsbereich ist deutlich stärker ausgeprägt mit unten ca. 10 cm und oben ca. 20 cm.
Im Sohlenbereich ist die Grube zuunterst mit reichlich verkohltem Holz (1, 10 x 0, 25 m) verfüllt, sowie anschließend mit weißem gebrannten Kalk mit einer Mächtigkeit bis zu 10 cm und schlecht gebrannten Kalkbruchsteinen von ziemlich einheitlicher Größe (Dm. überwiegend ca. 0,2 m, vereinzelt größer, mehrere kleinere) 0,12 m (im SSW) bis 0, 25 m (im NNE). Im Bereich der Grubenböschungen traten Konzentrationen von weißem gebrannten Kalk (0, 4 m mächtig und bis zu 0,6 m breit) auf, die Schichtober- und die Schichtunterkante waren konkav.
Darüber liegt eine Schicht aus Kalksteinbruchsteinen, teilweise schlecht gebrannt und von gleicher Größe wie die oben beschriebenen, die auch SpMA Keramik enthielt (Matrix: gelbbrauner lehmiger Schluff, Mächtigkeit im NNE bis zu 0,6 m, stetig nach SSW bis zu nur mehr 0,15 m abfallend). Darüber liegt in der süd-südwestlichen Grubenhälfte bis zu 0,45 m stark, gelbbrauner schluffiger Lehm mit wenigen Kalkbruchsteinen (Maße wie oben beschrieben) und SpMA-Keramik.

Die Interpretation dieses außergewöhnlichen Befundes steht fest: Es liegt eine SpMA-Kalkbrenngrube vor: Nach dem Ausheben der Grube wurden wechselweise Kalkbruchsteine und große Holzscheiter eingebracht, die Abdeckung erfolgte wohl mit Kalkbruchsteinen, auf denen für die Brandsetzung das Holz lag. Nach dem vollständigen Verbrennen entnahm man den gebrannten Kalk, um mit ihm Kalkmörtel herzustellen. Anschließend wurde die Grube mit schlecht (sog. „Hunde") oder gar nicht gebrannten Kalksteinen sowie dem anstehenden Lehm wieder verfüllt.
Kalkbrenngruben sind der typologische Vorläufer der Kalkbrennöfen, sie wurden aber bis weit in die frühe Neuzeit hinein weiterverwendet. Kalkbrenngruben erfordern zwar einen erheblich höheren Holzbedarf und auch der Brennprozess lässt sich nicht entfernt so gut steuern wie in einem Ofen, ebenso ist die Qualität des Produkts geringer, da der Anteil von Holzkohle im gebrannten Kalk höher liegt. Dem stehen aber einige Vorteile gegenüber: zuerst die wesentlich einfachere Anlage einer Grube, wichtiger aber noch die Möglichkeit, schneller eine wesentlich größere Menge an gebranntem Kalk herstellen zu können, vor allem dann, wenn die sicher schon bestehenden Kalköfen einen kurzfristig auftretenden erhöhten Bedarf nicht ausreichend decken konnten.
Ob die Anlage dieser Grube mit einer SpMA-Ausbaustufe im Burgenkomplex am Wildoner Schlossberg in Zusammenhang steht, ist zwar möglich, doch ohne Mörtelanalysen nicht nachweisbar.

Objekt 3: Es handelte sich um eine wohl annähernd runde Grube (Dm 2 m), mit flachkonkaver Böschung und Sohle, deren südliches Drittel beim Baggern zerstört wurde. Ihre Tiefe betrug 0,25 m, ihre äußere Füllung bestand aus einer Schicht dunkelbraunen schluffigen Lehms mit Kalkbruchsteinen bis zu 0,22 m, wenig Keramik und Holzkohle sowie Partikeln verziegelten Lehms. Darin lag eine Schicht mit reichlich Holzkohle, wenig Keramik und vereinzelt kalzinierten Knochen.
Die Keramik beider Schichten enthielt einige prähistorische Fragmente, stammte aber überwiegend aus dem SpMA oder der frühen Neuzeit. Die Grube diente eventuell als Kochstelle.

Parz. 191: Ca. 30 m östlich des HP 2 (2514 lt. Plan LEGAT) lag eine 0,3–0,4 m mächtige Schicht aus weißem gebrannten Kalk im N-Profil der Trasse. Ihre Ausdehnung im Trassenbereich betrug ca. 20 m.
Weiters konnte ca. 60 m östlich des genannten Punktes eine Schicht braungrauen schluffigen Lehms mit Holzkohlepartikeln, Partikeln verziegelten Lehms sowie Keramikfragmenten festgestellt werden. Ihre Länge im Trassenbereich der Straße beträgt ca. 50 m, die Keramik datiert teils prähistorisch, überwiegend in die LT-Zeit. Die Einregelung des Schichtinhalts lässt diese als Kolluvium erkennen.

Die archäologische Begleitung des Forststraßenbaus erbrachte neben dem Hinweis auf ein wahrscheinlich weitestgehend (?) zerstörtes hallstattzeitliches Gräberfeld (von besonderem Interesse und archäologisch vielversprechend ist in diesem Fall die Parzelle 24/3!) den Nachweis einer intensiven spätmittelalterlichen Nutzung der Parz.10/2 im untersuchten Bereich. Diese Nutzungen, auch mit umfangreichen Terrassierungen verbunden, haben ältere Originalschichten im untersuchten Bereich hier restlos zerstört.
Dafür gelang, soweit Verf. bekannt, die erste Untersuchung einer mittelalterlichen Kalkbrenngrube im steirischen bzw. kärntnerischen Raum.

 

 

Seite geändert am: 20.04.2020, 03.09.2025