ID: LBWD-66413-09 (Leibnitz.66413.3);
Bezirk: Leibnitz; Gemeinde: Weitendorf; KG: Kainach bei Wildon; Gst. Nr.: 550; 363/1; 365/4; Flur: Herrschaftsäcker;
Fundverbleib: KPH Depot, Archäologiemuseum Schloss Wildon; BDA-ObjektID: Aufhebung des Denkmalsschutzes auf Parz. 550; Zustand/Status: teilweise ergraben.
Zeitstellung: Bronzezeit, Mittelbronzezeit, Spätbronzezeit, Urnenfelderkultur, Eisenzeit, Ältere Eisenzeit, Hallstattkultur, Mittelalter, Frühmittelalter
Befund: (Flach-) Gräberfeld, Brandgräber, Körpergräber, Bestattung.
Forschungsgeschichte
2004 September 04: Meldung an das Bundesdenkmal durch Anton Steffan.
2004 September 13–November 03: Archäologische Ausgrabung durch den Kulturpark Hengist (Martina Roscher).
2005, 2006, 2007: Archäologische Ausrabungen durch den Kulturpark Hengist (Christoph Gutjahr).
2014: Fundstellenerhebung im Rahmen des Projektes InterArch-Steiermark, KPH.
2023, 2024: Archäologische Ausgrabungen durch den Kulturpark Hengist (Christoph Gutjahr, Maria Mandl).
Lage
Das Gräberfeld Kainach befindet sich etwa 300 m südwestlich des sogenannten Galgenkogels und unmittelbar nördlich anschließend an die L601/Schröttenstraße bzw. westlich des Wappenweges. Die Gräber wurden auf einer relativ ebenen Schwemmlandfläche am Zusammenfluss der Kainach und der Mur in der damaligen Auenlandschaft, am südlichen Ende des Grazer Feldes, positioniert. Das Gräberfeld hängt mit großer Wahrscheinlichkeit mit der zirka 1500 m Luftlinie entfernten, ausgedehnten urnenfelderzeitlichen Siedlung am Wildoner Schlossberg zusammen, die sich auf Siedlungsterrassen bis ins Tal erstreckte.
Datierung
Die Nutzung des Areals setzt bereits in der Mittelbronzezeit ein (1430-1310). Dabei handelt es sich um sechs Gruben, vier davon enthielten Keramikfragmente. Mindestens ein Grab ist der Stufe Baierdorf-Lednice (Ha A1, ca. 1250 v. Chr.) zuzuordnen. Die Masse der bisher datierten Gräber stammt aus der Zeit Ha A2/B1 bis Ha C1 (ca. 1100/1000 bis 700 v. Chr.). Bei mindestens zwanzig, wahrscheinlich sogar mehr Gräbern sind starke Bezüge zu inneralpinen Kulturgruppen sowohl in der Grabausstattung als auch in der Grabform zu erkennen. Besonders hervorzuheben sind fünf Gräber mit Schneppenkannen, die aus dem Bereich der Laugen-Melaun-Gruppe stammen (ca. 900 bis 700 v. Chr.). Weiters konnte noch eine frühmittelalterliche Nutzung des Geländes in Form einer wohl quadratischen oder rechteckigen Grabenanlage nachgewiesen werden, wobei deren östlicher Teil nicht ergraben wurde. Der Zweck dieser Anlage muss vorläufig offen bleiben. Vermutlich steht diese Struktur in Zusammenhang mit den 2023 aufgedecken FMA-Gräbern.
Untersuchung 2004 bis 2007
Das im Spätsommer 2004 bei Vorarbeiten für die Errichtung eines Industrieparks auf der Parzelle 550 entdeckte zirka 3000 bis 2700 Jahre alte spätbronze-/früheisenzeitliche Gräberfeld wurde von 2004 bis 2007 durch den Verein Kulturpark Hengist archäologisch untersucht. Insgesamt wurden auf einer Fläche von rund 15.000 Quadratmetern (Parz. 365/4 und 550) 430 Objekte dokumentiert, davon rund 240 Brandgräber. Sie gehören vermutlich zu zwei Gräberfeldern, vielleicht sogar auch noch zu einem dritten.
Der westliche Teil der behandelten Fläche war weitgehend befundleer. Erst ab der Mitte der Fläche (Parz. 550) und auf der östlichen Parzelle 365/4 kamen vermehrt Objekte zu Tage. Neben den Flachgräbern, die im Durchschnitt mit 5 Gefäßen ausgestattet waren, fanden sich noch Einzelgefäßgräber, vereinzelt Brandschüttungsgräber und mindestens vier verschliffene Grabhügel mit den Resten der Steineinbauten bzw. der Entnahmegräben. Auf der gesamten Grabungsfläche wurden einzelne ortsfremde Gesteinsbrocken (Leithakalk, Sandstein, Limonit) beobachtet, die vermutlich von bereits zerstörten Gräbern herrühren. Hervorzuheben sind die 6 mittelbronzezeitlichen (Koch-)Gruben mit teilweise massiven Steinpackungen, Keramikfragmenten und Tierknochen. Unklar bleibt vorläufig der Befund eines in südwestlich–nordöstlicher Richtung verlaufenden Grabens mit einem kleineren Begleitgraben, er dürfte aber zumindest älter als einige der Gräber sein. Die Gräber wurden in den sterilen Boden eingetieft. Aufgrund der unterschiedlichen Bodenniveaus des damaligen Gräberareals waren einzelne Gräber (heute) z. T. seicht im Boden. Die ständige agrarwirtschaftliche Nutzung des Gebietes führte zu Schädigungen an den Gräbern. Eine starke Beeinträchtigung erfolgte auch als im Vorfeld der – nicht realisierten – Errichtung eines Industrieparks der Humus mit der Schubraupe entfernt wurde. Teilweise waren nur noch die Gefäßböden erhalten. Mehrfach waren alte Beraubungsspuren oder Störungen nachzuweisen. Das Grabinventar wurde in einfachen Gruben deponiert. Wenige Gräber wiesen Steineinfassungen oder Abdeckung auf. Im Durchschnitt waren die Gräber mit 5 Gefäßen ausgestattet und Deponierung des Leichenbrandes erfolgte in der Regel in Keramikurnen (Töpfe, häufig Kegelhalsgefäße), nur in einigen Fällen in organischen Behältnissen. Den Toten wurden weitere Keramikgefäße (Einzugs- und Turbanrandschalen, div. Töpfe, Tassen etc.) in das Grab mitgegeben, die oftmals reiche Verzierungen (Einritzungen, Punkteindrücke, Rollrädchen etc.) haben. An vorwiegend unverbrannten Metallbeigaben finden sich in erster Linie verzierte Messer (u. a. Typ Pfatten, Grab 67), Rasiermesser und verzierte Nadeln aus Bronze (überwiegend Typ Graz). Erwähnenswert ist des Weiteren die Beigabe einer verzierten Bronzetasse (Grab 67) sowie eines leicht tordierten Goldringes und bearbeitete Knochenartefakte (Grab 79). Aus dem Schlämmgut stammen (Glas-)Perlen und einige Getreidekörner. Die Gräber wurden fast ausnahmslos in Kisten oder als Gips- oder Folienblock geborgen, was umfangreichere Aussagen zur Grabausstattung vorerst einschränkt. Von dem umfangreichen Fundmaterial wurden erst einige wenige Objekte bearbeitet und publiziert, der Großteil lagert noch in den Depots. Mit Sicherheit wurde nur ein Teil des Gräberfeldes erfasst, dessen Ausdehnung nach Norden, Süden und Osten unumstößlich ist. Ein Verbindung zum Galgenkogel und den übrigen in diesem Bereich im Gelände noch sichtbaren Grabhügeln im Nordosten als auch zu der Gräbergruppe jenseits der L601, sog. Wohnbau Lechner, liegt auf der Hand, ebenso wie die Zerstörung von Teilen des Gräberfeldes v. a. im Süden (L601; Bereich des ehem. Billagebäudes) und Osten/Nordosten. Die ständige Nutzung als Ackerfläche trägt das Übrige zur Vernichtung des mit Abstand größten Gräberfeldes dieser Zeitstellung in der Steiermark und um eines der bedeutendsten im Südostalpenraum bei.
Bibliographie
BDA 2007: Bescheid des Bundesdenkmalamtes, Wien, vom 03.07.2007 (GZ: 41.238/5/2007). Aufhebung des Denkmalsschutzes auf Parz. 550.
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GUTJAHR und WINDHOLZ-KONRAD 2017: CHRISTOPH GUTJAHR und MARIA WINDHOLZ-KONRAD, Das spätbronze- und frühhallstattzeitliche Brandgräberfeld in der KG Kainach, MG Wildon.
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GUTJAHR und WINDHOLZ-KONRAD 2024: CHRISTOPH GUTJAHR und MARIA WINDHOLZ-KONRAD, Aktuelle Einblicke in die spätmittelbronze- bzw. frühurnenfelder- bis älterhallstattzeitliche Nekropole Kainach bei Wildon, Steiermark, Arheološki vestnik 75, 2024, 629–678.
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Kramer 1989: Diether KRAMER, Aus der Ur- und Frühgeschichte von Wildon. In: Mitteilungsblatt der Korrespondenten der Historischen Landeskommission für Steiermark 2 (1989), 10 36, hier bes. 30ff.
Roscher 2005a: M. Roscher, Das urnenfelderzeitliche Gräberfeld Kainach bei Wildon, Hengist-Magazin 1/2005, 6–7.
Roscher 2005b: KG Kainach bei Wildon, OG Weitendorf, VB Leibnitz, Leitung: Martina Roscher, FÖ 43, 2004, Wien 2005, 56–57.
UMJ-ARCH, Ortsakt BH Leibnitz V–Wolfsberg, Nr. 50, Weitendorf-Kainach.